Drei Generationen erkunden Kreisläufe der Natur
Eifrig stampfen Kristin Will, Silke Hinrichs und Gundula Will frische Schafwolle in der historischen Zinkwanne. Es dauert nicht lange, bis sich das dampfende Wasser graubraun verfärbt. Die Wolle hingegen wechselt ihre Farbe von Karamelbraun zu Cremeweiß. Aus der Wanne riecht es ein wenig nach Schaf und auch der Wolle haftet noch immer der Duft ihrer ehemaligen Träger an. Aber das soll nicht so bleiben, ebenso wie die helle Farbe kein Endzustand ist. Es ist „Wolle färben“ angesagt im Museumsdorf Hösseringen – und unter der Anleitung von Webmeisterin Uschi Schwierske wird Wolle in unterschiedlichen Naturfarben hergestellt. Später soll sie zu Garn versponnen und in Webkursen verwendet werden.
Fast die ganze Familie Will ist beim Kurs dabei, und während Kristin, Silke und Gundula draußen mit den großen Wäschestampfern hantieren, heizt Andreas Will im Kötnerhaus das Herdfeuer ordentlich an. „Wir kommen aus Walsrode und wollten in den Ferien miteinander etwas Besonderes erleben“, erzählt Gundula Will. Schon im vorigen Jahr schauten die Familienmitglieder gemeinsam nach Angeboten im Museumsdorf. „Wir hatten Lust, auf den Spuren der Vergangenheit für uns Neues zu entdecken und alte Haus- und Handwerkstechniken zu erschließen“. So kam es, dass heute drei Generationen Wills beim Wolle färben mitmachen. Auch Enkel Jem trägt seinen Teil bei, eine Pause nutzt er, um ein wenig an einem Holzmesser zu schnitzen. „Wir machen zuhause auch viel selbst“, erzählt er. Der eigene Garten wird für die Versorgung genutzt, aber man könne noch viel hinzulernen. So auch heute, denn alle Arbeitsschritte des Färbens werden gemeinsam bewältigt. Als erstes wurden Kräuter gesammelt, mit denen gefärbt wird. Diese köcheln nun in großen Kesseln über der offenen Feuerstelle im Kötnerhaus. Andreas Will heizt noch einmal ordentlich ein, denn heute sind gleich zwei Feuerstellen am Brennen. Habichtskraut und Rainfarn ergeben gelbe Farbe, mit Birkenblättern erhält man ein schönes Gelbgrün. Und Walnussschalen machen nicht nur die Hände beim Schälen, sondern auch Wolle braun. Bevor es soweit ist, muss die Wolle – sie stammt hier aus der Region – erst einmal vorbereitet werden. Sie wird gewaschen und mit Alaun gebeizt, das schließt die Fasern auf. Danach kann die Farbe gut eindringen. Eine Stunde beizen, eine Stunde färben ist die Faustregel. Beim Färben wird die Wolle mit den entsprechenden Pflanzen bei etwa 80 Grad geköchelt, die Temperatur muss Uschi Schwierske abschätzen. Die Luft im Kötnerhaus ist jedenfalls schweißtreibend. „Wir wollten, dass auch unsere Enkel Kreisläufe der Natur kennenlernen“, sagt Andreas Will. „Zu sehen, wie Textilien aus natürlichen Materialien hergestellt werden, ist sehr spannend für uns. Und diesen Prozess mit den eigenen Händen zu begleiten, das macht Freude.“ Gerade diese sinnliche Erfahrung ist Uschi Schwierske, die seit vielen Jahren Web- und Spinnkurse im Museumsdorf anbietet, wichtig. Und Familie Will überlegt schon, ob sie einmal beim Spinnen oder Weben mitmacht. Vielleicht sogar mit der selbst gefärbten Wolle.
Christine Kohnke-Löbert
Wolle färben