Von der Saftwaage bis zur Rotation des Fruchtholzes
Der Klimawandel hat auch Einfluss auf unser Obst. „Die intensive Sonnenstrahlung kann bei den Früchten zu Sonnenbrand führen, genau wie bei Mensch und Tier“, erläuterte Ole Beeker jetzt im Museumsdorf Hösseringen. Deshalb solle man die Kronen der Bäume künftig dichter stehen lassen, als es noch vor einigen Jahren gehandhabt wurde. So können die belaubten Äste die Früchte schützen. Der Fachmann von der Gartenschule „Pur Natur“ in Uelzen war zu einem Kurs über Obstbaumschnitt ins Freilichtmuseum gekommen und gab anhand zahlreicher Beispiele eine ausführliche theoretische Einführung. Die gut 30 Teilnehmer lernten beispielsweise, wie man vergreiste Bäume verjüngt, wie am besten mit Wassertrieben umzugehen ist und was die „Saftwaage“ bedeutet. Und wer noch nichts von der „Rotation des Fruchtholzes“ gehört hat, ist nun ebenfalls klüger. „Das Gewicht der Früchte zieht die Äste nach unten. An der Oberseite treibt dann wieder neues Fruchtholz aus, welches später auch wieder nach unten gezogen wird“, so Beeker. Deshalb sollte man die nach unten geneigten Äste, auch wenn sie gut tragen, immer entfernen. Wenn ein Apfelbaum trotz jährlichen Rückschnittes kaum Früchte trägt, könnte es allerdings auch daran liegen, dass seine Triebe zu stark beschnitten worden sind. Vor dem Ansetzen der Schere sollte man sich also immer erst einmal die Zeit nehmen, um den Baum in Ruhe zu betrachten und kennenzulernen, empfiehlt der Experte. Die beste Zeit dafür sei gerade noch jetzt, denn in der Regel sollten Obstbäume nur von Januar bis März beschnitten werden.
Wie das geht, führte Ole Beeker im Anschluss an den theoretischen Teil im Brümmerhofgarten vor. Und musste feststellen, dass es den dortigen Apfelbäumen nicht so gut geht. „Der Boden hier ist sehr trocken“, stellte er fest. Eine gute Wahl hätten die Museumsleute dagegen mit der Neuanpflanzung eines „Celler Dickstiel“ getroffen, denn diese Sorte kann mit Trockenheit gut umgehen.
Sarah und Nils Winkler aus Masel hören gut zu, denn sie wollen demnächst bauen und haben sich vorgenommen, in ihrem Garten eine Streuobstwiese anzulegen. „Wir haben heute die Kinder abgegeben und bilden uns im Museumsdorf fort“, erzählen die Beiden. Ihr Plan ist, einen Teil ihrer Lebensmittel künftig selbst anzubauen – ein angesagter Trend. „Viele Menschen setzen wieder auf Selbstversorgung“, fasst es Ole Beeker zusammen. Die Nachfrage sei so groß gewesen, dass ein weiterer Kurs im Sommer angedacht sei. Dann könnte es um Sommerschnitt gehen.
Auch Marco Meister aus Bohlsen möchte seine Obstbäume künftig eigenhändig pflegen. „Ich habe viel Neues mitgenommen und zudem vorhandene Kenntnisse aufgefrischt“, bilanziert er. Für Renate Künne und Rainer Köllner aus Lingwedel gab es dagegen nichts aufzufrischen. „Wir haben Null Ahnung“, erzählen sie. Dass soll sich ändern, denn auch sie möchten ihren großen Obstgarten künftig selbst bewirtschaften. Dafür fühlen sie sich nun gerüstet. „Wir tasten uns langsam heran“, fassen sie zusammen.
Beim kleinen Dickstiel im Museumsgarten stimmt die Saftwaage nun jedenfalls. Mal sehen, ob er im Herbst schon trägt.
Christine Kohnke-Löbert