Mexikanischer Gott, Puppe und Überschwemmung
Ein kleiner Zettel macht den Unterschied: Er ist der Beweis, dass die peruanische Grabbeigabe, ein kleines Gefäß in Form eines sitzenden Menschen oder Gottes, im Jahr 1906 ausgegraben worden und damit Bestandteil eines alten Sammlungsbestandes ist. „Ohne diesen Nachweis würde das Kulturgutschutzgesetz greifen und das Objekt wäre unverkäuflich“, erläutert der Kunstsachverständige Klaus-Dieter Müller, der an diesem Sonntag wieder einmal zum „Schätztag“ ins Museumsdorf Hösseringen gekommen ist. Aber verkaufen möchte Inga Marks aus Celle das historische Stück ohnehin nicht. Sie hat sich bereits im Vorfeld überlegt, es an eine museale Sammlung zu geben, ebenso wie ein zweites Grabgefäß aus Mexiko. Der Geldwert für derartige Objekte sei auch nicht besonders hoch, weiß der Sachverständige, allerdings könnte es sich ja um eine kulturelle Besonderheit handeln. Dies aber wäre von Experten, etwa vom Humboldt Forum Berlin oder einem Völkerkunde-Museum zu klären.
Klaus-Dieter Müller hatte es an diesem Sonntag mit einem bunten Strauß an Objekten zu tun, die meisten allerdings hatten eine weniger lange Reise hinter sich. So wie die Puppe von Edeltraut Eggers aus Hermannsburg. „Die gehörte meiner im Jahr 1902 geborenen Schwiegermutter“, erzählt sie. Aus Besorgnis, nur ja nichts kaputt zu machen, hatte sie all die Jahre nicht gewagt, nachzuschauen, wie der Zustand unter dem weißen Kleidchen – vielleicht ein Taufkleid? – ist. Der Sachverständige ist da weniger zögerlich und schon hat er im Nacken der Puppe ein Logo mit Panzer und vier Füßen entdeckt. „Das ist eine frühe ‚Schildkröt-Puppe‘, vermutlich aus wilhelminischer Zeit“, schlussfolgert er – und gibt Edeltraut Eggers den Rat, den Zustand genau so zu belassen. „Das ist ein wunderbarer Fundzustand. Falls jemand die Puppe kaufen möchte, dann gehört das Wiederherstellen und Restaurieren ebenso dazu wie die Freude, ein schönes Stück gefunden zu haben. Man kann dann nämlich selbst entscheiden, wie man mit seinem Fund umgehen möchte.“
Irmlinde Florian aus Hambühren hat mit ihren Bildern von Uschi Köhn weniger Glück. Die Hamburger Malerin war zwar zeitweise angesagt und hatte große Ausstellungen, derzeit aber gebe es für ihre Werke keinen Markt. „Außerdem mögen die Hamburger keine Hamburgensien“, ist die Erfahrung von Klaus-Dieter Müller. Und genau dies sind die Motive von Köhn. Vielleicht sollte man ihre Werke einfach andernorts anbieten, wer weiß?
Für Regina und Achim Denecke an Niendorf I bringt der Schätztag eine kleine Überraschung mit sich. Die Beiden haben die Familienerbstücke sortiert und es stellt sich heraus, dass ein kleines, eigentlich eher unscheinbares Armband aus der Biedermeier-Zeit stammt. Um 1840 hergestellt, könnte es sogar aus Rotgold bestehen. Ansonsten gibt es eine Menge Zierlöffel anzuschauen und einen Zinnlöffel, der aber so tut, als wäre er aus Silber. Immerhin ist er mit der Tudorrose gepunzt und dies spricht für einen sehr reinen Zinn mit nur geringem Bleianteil. Auch das dicke Postkartenalbum enthält eine Besonderheit: eine Postkartenserie von der Überschwemmung Göttingens im Jahr 1909. „Als Postkarten waren diese Motive nur eine kurze Zeit angesagt, als Zeitzeugnis sind sie heute aber von Bedeutung“, weiß der Experte. Heute würde jedenfalls niemand mehr aus einer Umweltkatastrophe ein Postkartenmotiv machen.
Christine Kohnke-Löbert
Schätztag