Fachsimpeln über Sechszylinder und Schwiegermuttersitz
Vier Stunden haben Bernhard und Frank Jühe gebraucht, um aus Warstein im Sauerland in die Südheide zu reisen. Kein Wunder, sind sie doch mit einem der ältesten Fahrzeuge der diesjährigen Oldtimer-Rallye des ADAC unterwegs, einem Ford A Roadster von 1929. „Der bringt locker seine 80 Sachen“, erzählt Bernhard Jühe begeistert. Gebaut wurden diese Wagen in Amerika, tausendfach zu ihrer Zeit. Heute gibt es nicht mehr viele davon. „Der Wagen ist technisch völlig anspruchslos“, weiß Bernhard Jühe, und gerade dies mache seinen besonderen Reiz aus. „Der fährt und fährt, all die Jahre ohne Probleme. So ein altes Auto hat eben seinen besonderen Charakter, sein ganz eigenes Gesicht. Nicht wie die modernen Fahrzeuge, die austauschbar sind.“ Bei Regen wird eine Plane geöffnet, so dass Fahrer und Beifahrer geschützt sind. Nur für den Sozius hinten wird es dann ungemütlich, denn für diesen ist kein Regenschutz vorgesehen. „Das ist der Schwiegermuttersitz“, lachen Frank und Bernhard Jühe, die bereits an vielen Rallyes teilgenommen haben. An der Tour des ADAC schätzen sie besonders, dass unterwegs so viele schöne Ecken Deutschlands besucht werden. „Hier in der Heide kann man schon früh sehen, wann die Mittagsrast angesagt ist, weil es hier so flach ist“, scherzen sie. Und dann geht es auf in Richtung Brümmerhof, wo der Imbiss wartet – zu Fuß allerdings, denn im Museumsdorf dürfen auch die Oldtimer nur bis vor die große Torscheune fahren.
„Diese Rallye bieten wir seit 2010 deutschlandweit an“, erläutert Orgaleiter Peter Martin, der sich über den großen Zuspruch von mehr als 200 Fahrzeugen freut. Geplant wird die Tour vom jeweiligen Regionalclub, der sich mit den Kulturinstitutionen der Region in Verbindung setzt. So war es im Herbst zur Anfrage in Hösseringen gekommen – und das Museumsteam hat nicht nur das Ambiente zur Verfügung gestellt, sondern wartet auch mit einer kniffligen Aufgabe auf: Jeder Teilnehmer muss im Kötnerhaus unter den kritischen Augen von Museumspädagogin Heike Dehrmann eine historische Mausefalle „scharf schalten“. „Die ist noch älter als die Autos“, lacht Museumsleiter Ulrich Brohm. Vielleicht liegt es daran, dass so manch technikbegeisterter Autofan hier an Grenzen stößt. Auch Alexandra und Michael Schleupen mussten nach etlichen Versuchen passen – was den Beiden aber noch mehr Lust auf das Museumsdorf macht. „Es ist so schön, dass wir auf unserer Tour so viele Orte und Landschaften kennenlernen“, sagen sie und drehen – bevor sie wieder in ihren VW Käfer von 1973 steigen – noch eine Runde durch die alten Häuser.
Zum ersten Mal in der Heide und dabei ganz schnittig unterwegs sind Martina und Kurt Heinen aus Billerbeck. Ihr Jaguar von 1965 wurde nämlich in den 70-er Jahren auf „Rennwagen“ getunt und hat seitdem Schlitze in der Kühlerhaube. „Sonst würde der Motor zu heiß“, weiß Martina Heinen, die sich ebenso wie ihr Mann vor Jahren in das Modell verliebt hat. Ob sie im Falle eines Rennens gegen den MGL von Ulrike Odendahl-Schubert und Dieter Odendahl eine Chance hätten, ist allerdings die Frage, denn der blaue Sechszylinder fährt locker 110 Sachen. „120 schafft er auch“, ist sich Dieter Odendahl sicher, aber das wird lieber nicht probiert. Eine Sitzprobe für den Museumsleiter ist jedoch drin – und so darf Ulrich Brohm auch einmal testen, wie es sich hinter dem Lenkrad des englischen Flitzers anfühlt.
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