Offene Baustelle im Museumsdorf Hösseringen
Jede Menge Balken sind auf dem großen Hofplatz im Museumsdorf Hösserigen ausgebreitet. Die erste Lage ist gleich hinter dem Torhaus aus Thielitz ausgelegt und wer genau hinschaut, wird erkennen, dass das kein ungeordneter Haufen ist. In guter Ordnung sind lange und kurze, schräg oder gerade geschnittene Holzbalken aneinandergefügt und man muss kein Fachwerkexperte sein, um die Konturen von Hauswänden ausmachen zu können. Auch wenn diese momentan in der Horizontalen liegen. „Das Aufrichten wir noch ein wenig dauern“, erläutert Harald Sassarra von der Ostedter Firma Nieschulze, die mit den Holzarbeiten betraut ist. Zunächst müssen alle Holzteile begutachtet und wenn nötig repariert werden. Etwa ein Drittel der Hölzer sind schadhaft, sie werden mit sichtbar hellerem, neuem Material ergänzt. „Auf diese Weise zeigen wir den Museumsbesuchern, welche Teile historisch sind und an welchen Stellen Erneuerungen vorgenommen wurden“, macht Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm das Konzept deutlich. Für die Kollegen der Firma Nieschulze ist die Arbeit mit denkmalgeschützter Bausubstanz kein unbekanntes Terrain, sie sind regelmäßig mit der Sanierung historischer Gebäude befasst. Im vorigen Jahr waren sie an der Sanierung der Domänenscheune in Ebstorf, die zu den ältesten Gebäuden des Landkreises Uelzen zählt, beteiligt.
„Wir haben die Balken zunächst an die richtige Position für den späteren Wiederaufbau gebracht.“ Harald Sassarra zeigt in die Runde: „Das hier ist ein Giebel und hier liegt eine Längswand.“ Orientierung bei der Anodnung verschaffen die alten Zimmermannszeichen. „Jedes Gebinde wurde damals von den Zimmerleuten mit römischen Zahlen versehen, so konnten die Bauleute die passenden Teile zusammenfügen“, so Sassarra, der die Balken mehr als 200 Jahre später mithilfe genau dieser Zeichen aneinanderfügt.
Der Dachstuhl liegt noch als Haufen nahebei. Auch hier müssen die Hölzer durchgesehen und bewertet werden. „Besonders gefreut hat sich unser Architekt über einen krummen Balken, der damals in den Dachstuhl eingebaut wurde“. Ulrich Brohm zeigt auf ein besonders auffällig gewachsenes Holz. „Material war damals wertvoll und man ist damit sparsam umgegangen. Selbstverständlich wird auch dieser Balken wiederverwendet.“
Haus „Timm“ aus Linden ist ein Wohnstallhaus von 1820, bei dem schon sehr früh die Vier-Ständer-Bauweise angewandt wurde. Bauherr war der Bauer Christian Wilhelm Timm (1775 – 1825). „Mit der Baugruppe wird eine regionaltypische Hofstelle des 19. Jahrhunderts erlebbar gemacht“, erläutert der stellvertretende Museumsleiter Björn Thomann das räumliche Konzept des entstehenden Hofes innerhalb der historischen Dorfanlage. Das Richtfest soll Ende August gefeiert werden, mit dem Abschluss des ersten Bauabschnittes ist Ende des Jahres zu rechnen. Anschließend bleibt die Fachwerkkonstruktion erst einmal ein Jahr offen stehen, so dass die Hölzer arbeiten können. Im zweiten Bauabschnitt sollen die Gefache ausgemauert werden, danach folgen der Innenausbau sowie die Gestaltung der Ausstellungseinheiten. Bis es soweit ist, können Museumsbesucher eine lebendige Baustelle erleben. Die Zimmerleute haben sich bereits daran gewöhnt, dass ihnen bei der Arbeit über die Schulter geschaut wird. Zudem sind Baustellenführungen geplant, die auch extra gebucht werden können. „Unsere Gäste können hier erleben, wie ein Fachwerkhaus entsteht. Sie sehen, wie ein Gefüge verbunden wird und auf welche Weise schadhafte Teile ergänzt werden“, so Björn Thomann. Fachlich betreut wird das Bauvorhaben von Architekt Henryck Reimers aus Lüneburg. Für die Umsetzung hat das Museumsdorf Fördermittel erhalten, unter anderem EU-Mittel aus dem LEADER-Programm sowie einen Zuschuss der Stiftung Niedersachsen.
Christine Kohnke-Löbert