Aus dem Leben der „kleinen Leute“
„Landtage wurden vom Landesherrn meist einberufen, wenn dieser klamm war. Man brauchte immer wieder neue Steuern.“ Die Worte von Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm könnten dem Museumsbesucher von heute bekannt vorkommen. Das aktuelle politische Geschehen stand natürlich nicht auf der Tagesordnung der Sonderführung im Museumsdorf am Reformationstag, sondern „das Leben der bäuerlichen Schichten im Zeitalter der Reformation“, so der Titel der Führung. Rund 30 Gäste hatten sich auf Spurensuche am Landtagsplatz sowie im Haus Oldendorf gemacht und informierten sich über das Leben der „kleinen Leute“ vor gut 500 Jahren.
Am Landtagsplatz, der seit 2020 Teil des Museumsdorfes ist, ging es unter anderem um den Neuaufbau der Landesverwaltung im 16. Jahrhundert. Der erstarkte Landesherr, im Fall unserer Region Herzog Ernst der Bekenner, schuf lokale Verwaltungen, die das Zusammenleben regelten. Amtmänner vertraten seine Interessen vor Ort, das Dorf Suderburg beispielsweise war noch bis 1852 Mittelpunkt einer Vogtei im Amt Bodenteich. Neben der Gerichtsbarkeit ging es vor allem um das Einziehen der Abgaben und Steuern, denn der Geldbedarf des Landesherrn war groß. Entschieden wurde darüber auf den Landtagen, an denen neben dem Herzog Vertreter der Klöster, des Adels und der Städte teilnahmen. Die Bauern, welche die Hauptabgabenlast trugen, waren nicht beteiligt. Getagt wurde unter freiem Himmel, meist im „Schott bey Hösering“, wo sich die Landstände in der Zeit zwischen 1532 und 1652 etwa dreißig Mal trafen. Der zentral gelegene Versammlungsort geriet später in Vergessenheit. Seine Lokalisierung am heutigen Landtagsplatz geht auf den Altertumsforscher Carl von Estorff zurück, der hier Reste eines Großsteingrabes aus der Jungsteinzeit vorfand. Allerdings hat sich von Estorff höchstwahrscheinlich geirrt, denn Archäologen haben bislang keine Nachweise vor Ort gefunden. Sie vermuten einen Standort in der Nähe – eine Forschungsaufgabe für die Zukunft, betonte Dr. Brohm. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt der Platz im Wesentlichen in nationalsozialistischer Zeit durch eine vom Uelzener Kreisbauernführer Georg Gloystein initiierte Neugestaltung.
Im Haus aus Oldendorf, einem Kleinbauernhaus aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, ging es um die wirtschaftliche Entwicklung im 16. Jahrhundert, in dessen Verlauf es, nach den Dezimierungen durch die Pestepidemien der vorangegangenen Jahrhunderte, zu einem starkem Bevölkerungsanstieg gekommen war. Die gute Agrarkonjunktur dieser Zeit führte zu einem baulichen Aufschwung nicht nur der herrschaftlichen Bauten, sondern auch auf dem Lande. Diese Entwicklung ist auch am Haus Oldendorf ablesbar. „Woher das Geld dafür kam, weiß man allerdings nicht, denn der Bauherr ist unbekannt“, so Brohm. Der Museumsleiter wartete mit zahlreichen Details auf, die den Museumsbesuch an diesem Tag zu einem ganz besonderen Erlebnis werden ließen.
Christine Kohnke-Löbert