Von der Steinaxt bis zum Witwenmacher
„Diese hier fällt aus dem Rahmen.“ Der Stellvertretende Museumsleiter Dr. Björn Thomann weist auf ein wahrhaft martialisch aussehendes rundes Sägeblatt, welches als Teil einer mobilen Kreissäge auf einen fahrbaren Untersatz mit Schiebevorrichtung montiert ist. Der sogenannte „Witwenmacher“ ist eines der ganz besonderen Ausstellungsstücke in der Sonderausstellung „Guter Schnitt! – Die Evolution der Motorsäge“ im Museumsdorf Hösseringen, die noch bis zum Saisonschluss Ende Oktober besichtigt werden kann. Die Säge des australischen Herstellers „Hargan“ stammt aus dem Jahr 1948 und wurde als Einmannsäge wie eine Schubkarre von Baum zu Baum bewegt. „Eigentlich ein funktionierendes Prinzip“, erläutert Björn Thomann. „Doch Vorsicht, die Bedienung erfordert einen hohen Kraftaufwand. Wenn das Sägeblatt verkantet und feststeckt, droht die Maschine außer Kontrolle zu geraten. Gar nicht selten kam es in einer Zeit, in der der Arbeitsschutz von geringer Bedeutung war, zu schweren Unfällen.“ Das brachte der Kreissäge den Ruf des „Witwenmachers“ ein. Von der berüchtigten „Hargan Saw“ wurden insgesamt nur 500 Stück produziert. Eine davon ist nun in Hösseringen zu besichtigen – und damit wird eine solche Maschine zum ersten Mal in Deutschland ausgestellt. Sie stammt aus Australien, eine Leihgabe aus Privatbesitz. Zum Einsatz kamen solche Sägen überwiegend in den Wäldern Nordamerikas, Australiens und Neuseelands. Mit dem Aufkommen der Einmann-Kettensägen wurde ihre Produktion eingestellt.
Warum setzten sich Menschen überhaupt einem solchen Risiko aus? Weil die Nutzung von Holz in der Geschichte des Menschen von Anbeginn eine herausragende Rolle spielt. Wir ein roter Faden zieht sich dieser Aspekt durch die Sonderausstellung in der großen Ausstellungshalle. Beginnend mit Äxten und Beilen aus der Steinzeit führt die Ausstellung bis ins Zeitalter der motorgestützten Waldarbeit.
Exponate mit besonders individuellen Geschichten eingeschlossen. So wie die Festo KKS aus dem Jahr 1943. Diese frühe Einmannkettensäge wurde für die deutsche Luftwaffe produziert. Sie war für Piloten gedacht, die irgendwo im Niemandsland starten mussten. Wenn ihnen dann ein Baum im Weg stand, mussten sie diesen mit leichtem Gerät allein absägen können – und dazu hatten sie die Festo an Bord.
Ebenfalls im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde die Mercury KB6 – AX. Ein Exemplar dieser Baureihe gelangte 1944 von Amerika nach Frankreich, ist aber nie eingesetzt worden. Ein Franzose hatte den großen Kasten mitsamt Inhalt gefunden, eingelagert – und vergessen. Erst nach vielen Jahren fand man die Kiste wieder. Alles war noch original verpackt und ist nun in Hösseringen zu sehen!
Christine Kohnke-Löbert