Kaufhauskunst, Schlafzimmerbild und ein echter Worpsweder
„Aber der Rahmen ist cool“, sagt Klaus-Dieter Müller tröstend. Denn das Bild innerhalb des opulenten Rahmens ist zwar schön anzuschauen, sein künstlerischer Wert allerdings stellt sich als eher bescheiden heraus. „Es handelt sich um Kaufhausmalerei aus den 1960-er Jahren“, meint der Kunstsachverständige, der an diesem Sonntag wieder einmal zum „Schätztag“ ins Museumsdorf Hösseringen gekommen ist. Viele Gäste haben sich angemeldet, um ihre kleinen und großen Familienschätze künstlerisch und zeitlich einordnen und vielleicht auch bewerten zu lassen. So wie Angelika Villbock aus der Salzwedeler Gegend. Ihre großformatigen Erinnerungsstücke werden vermutlich auch künftig keine Kunstgalerie zieren, doch sie stehen für einen Zeitgeist und ebenso für den Wunsch, Kunst und Schönes ins eigene Heim einziehen zu lassen. So wie das Motiv „Gardasee“, „Sehnsuchtsort“ der Deutschen, seit es in den 1950-er Jahren in Mode kam, einmal im Jahr eine größere Reise anzutreten. Angelika Villbock nimmt es sportlich.
„Jetzt kommt der Picasso“, ruft der nächste in der Warterunde, Günter Villwock aus Uelzen, der gemeinsam mit Iris Reinefeld eine ganze Bildersammlung zusammengetragen hat und einige Exemplare begutachten lassen möchte. „Gibt man etwas auf den Flohmarkt, weiß man am Ende nicht, was man aus der Hand gegeben hat“, meint er und Klaus-Dieter Müller bestätigt: „Es gibt viele hervorragende Künstler, die kein Mensch kennt.“ Der „Picasso“ mit sechs Stempeln auf der Rückseite stellt sich dann aber doch als eine Havellandschaft von Hans Fischer heraus, die im Verkaufsfalle in Richtung Berlin angeboten werden sollte. „Das nächste Mal bringe ich einen Watzmann mit“, lacht der Hobbysammler.
Und so geht es weiter in der Runde, nun mit einem „Schlafzimmerbild“ von Wilhelm Theodor Nocken, welches Gerhard Röling aus Hankensbüttel mitgebracht hat. Die farbige Lithografie stammt aus dem Jahr 1870 und zeigt eine dramatische Komposition der Naturelemente: Vor Gebirge und Wasserfall steht eine kleine Kapelle, die als Zufluchtsort ein Gefühl der Sicherheit vermitteln soll. „Früher wurden solche Bilder oft von fliegenden Händlern verkauft. Sie kosteten um die 60 Mark und wurden mit fünf Mark Anzahlung abgestottert. Der Händler erhielt oft nur 15 Prozent“, weiß Klaus-Dieter Müller, der zu jedem Sammlungsstück wie aus dem Nichts eine kleine Geschichte zu erzählen hat. Auch zur Perlenkette von Marlies Labinski weiß er eine Story. „Die teuerste unechte Perlenkette wurde für 600.000 Dollar verkauft. Sie stammt von Jaqueline Kennedy.“ Ein großer Name lässt eben selbst Modeschmuck zur Preziose werden.
Noch viele Stücke werden an diesem Tag begutachtet, und sogar ein echter „Worpsweder“ ist dabei. Leuchtende Sonnenblumen sind das Motiv von Udo Peters, Maler der zweiten Worpsweder Generation. „Das ist ein großer Name. Sonnenblumen tragen seit Van Goghs Zeiten einen künstlerischen Nimbus. Vielleicht sollte man das Gemälde für eine Ausstellung anbieten“, empfiehlt der Sachverständige.
Christine Kohnke-Löbert