„Dieses Gebäude wird auch in 200 Jahren noch hier stehen“
„Den Neubau weih ich zünftig ein; Aufs Wohl der Bauherrschaft ein kräftig Hoch ich bringen will; Drum will ich jetzt das Glas erheben, Uns’re Bauherrschaft soll leben! Hoch! Hoch! Hoch!“ Mit Schwung leert Stephan Nieschulze, Chef der gleichnamigen Firma aus Ostedt, das Weinglas. Nach zwei weiteren Sprüchen und „Prosts“ an die Versammelten wird es in die Tiefe geschleudert, wo es zerschellt. Alles ist, wie es sein soll – und Stephan Nieschulze und seine Mitarbeiter sind zu Recht stolz. Sie liegen mit ihren Arbeiten im Plan und freuen sich, dass das Richtfest für das neueste Bauvorhaben, Haus Timm aus Linden, zusammen mit dem 50-jährigen Jubiläum des Museumsdorfes Hösseringen gefeiert werden kann. „Es ist eine wunderbare Arbeit, die wir an dieser Stelle tun und die Öffentlichkeit hat daran teil“, freut sich der Zimmermann und ist sich sicher: „Dieses Gebäude wird auch in 200 Jahren noch hier stehen.“ Vor 40 Jahren im Museumsdorf Hösseringen eingelagert, zeigt sich wieder einmal, wie wertvoll natürliche Baustoffe sind – auch in der Wiederverwendung und auch noch nach Jahren. „Das Holz musste hier und dort ergänzt werden, ist aber insgesamt in gutem Zustand. Alle Dachsparren konnten wieder eingebaut werden“, fasst Nieschulze zusammen. Nun müssen noch die Innenwände errichtet und das Dach gedeckt werden und dann ist die erste Bauphase abgeschlossen. Nach einer Trocknungspause soll es 2027 weitergehen.
„In engem Zusammenwirken vieler Partner kann anhand dieses Gebäudes ein Stück Geschichte der Region deutlich gemacht werden“, sagte Karin Beckmann, Leiterin des Amtes für regionale Landesentwicklung in Lüneburg. „Wir können von diesen Gebäuden viel lernen. Zum Beispiel, dass alte Häuser nachhaltig sind.“ Die Rückschau in die Vergangenheit sei mit Ehrfurcht verbunden, auch vor der Leistung früherer Generationen, die viel Mühe aufwenden mussten, um für ihre Familien zu sorgen. Sie sei froh, dass die Leader-Region Heideregion Uelzen sich für die Unterstützung dieses Vorhabens stark gemacht habe.
Haus Linden geriet bereits 1976, kurz nach Gründung des Museumsdorfes, in den Fokus, 1983 wurde es demontiert. Angeschoben und ausgeführt wurde diese Maßnahme vom damaligen Museumsleiter Dr. Horst Löbert und Restaurator Frank Platten. „Der Plan, das Gebäude zügig wiederaufzubauen, ging leider nicht auf“, berichtet der heutige stellvertretende Museumsleiter, Dr. Björn Thomann. „Der Stapel an Baumaterial war für uns auch ein Sinnbild für die Grenzen des Realisierbaren.“ Doch weder die Museumsleute noch die interessierte Öffentlichkeit gaben auf. Anfang der 2020er-Jahre brachte ein Ehepaar aus Emmendorf den Stein ins Rollen. Das Paar gab eine Wohnzimmereinrichtung aus Familienbesitz an das Museum, diese soll in der künftigen Ausstellung präsentiert werden. „Haus Linden wird das Museum attraktiver machen und inhaltlich aufwerten“, fasst es Björn Thomann zusammen.
Nach der ersten Errichtung im Jahr 1820 haben in Haus Linden sieben Generationen gelebt und Thomann freute sich besonders, dass mehrere Angehörige der Familie Timm zum Richtfest gekommen waren. „Es ist schon ein komisches Gefühl“, erzählt Ingrid Dräger, die ihre Kindheit in Haus Linden erlebte. Mit Landwirtschaft, Tieren und allem, was dazugehört. Ihre Schwester Gudrun ist heute auch da, beide haben alte Familienfotos mitgebracht. „Das sind wir bei einer Hochzeit, die Kleider hat unsere Mutter selbst genäht“, erzählt Gudrun und freut sich, dass das große Tor künftig wieder offenbleibt. Noch fehle die vertraute Atmosphäre, aber das Haus sei ja noch im Rohbau. Ingrid und Gudrun heißen zwar nicht mehr Timm, aber auch nach der Hochzeit tragen sie den gleichen Nachnamen. Die Zwillingsschwestern haben nämlich Brüder geheiratet. Auch vor Ort sind Herrmann Timm sowie Bianca Timm-Behn. Für die Familie ist das Richtfest ist eine schöne Gelegenheit, Erinnerungen lebendig werden zu lassen.
Christine Kohnke-Löbert
Richtfest
- Stephan Nieschulze und sein Team beim Richtspruch
- Stephan Nieschulze
- Karin Beckmann
- Ingrid, Ulrich, Gudrun, Hermann Dräger, Helmut Timm vor dem Haus
- Gudrun Dräger übergibt Björn Thomann ein Familienfoto
- Familienfoto mit den Zwillingsschwestern