Feenhaar, Eislamette und eine „Permanent Christbaum-Garnitur“
Weihnachts-Stöbern im Depot des Museumsdorfes Hösseringen
Sie brennt! Tatsächlich leuchtet die alte Lichterkette an dem kleinen Weihnachtsbäumchen auf, als Dokumentar Marten Thomsen im Depot des Museumsdorfes Hösseringen den Stecker betätigt. Ein wenig gerupft sieht der kleine künstliche Weihnachtsbaum ja aus, was kein Wunder ist, denn er ist nicht mehr der Jüngste.
In den 1990er-Jahren bei Edeka Gutkauf in Gerdau angeboten, landete er wenig später in der Sammlung des Museumsdorfes. Hier tummelt er sich mit einer ganzen Reihe an Schmuck- und Dekoartikeln, die in den vergangenen Jahrzehnten das Weihnachtsfest vieler Familien rund um Uelzen schöner machten. „Wir haben etwa 395 Datensätze zum Thema Weihnachten“, erläutert der Museumsdokumentar, gesammelt wurden Stücke aus rund 120 Jahren Weihnachtsgeschichte.
Sie bieten einen kleinen Einblick in die Weihnachtskultur der Lüneburger Heide, die sich im Laufe der Zeit immer wieder änderte. So ist auch der Weihnachtsbaum eine eher junge Erscheinung in der Tradition der Weihnachtsbräuche. Der Lehrer und Heimatforscher Eduard Kück schreibt im Jahre 1906 über das „alte Bauernleben in der Lüneburger Heide“: „Nach alter, weithin in Deutschland bekannter Sitte legten die Kinder ihre Mützen auf den Tisch, am Morgen lagen die Gaben des Kanjes, des ‚Kind Gottes’, darin: Haselnüsse, die von den Kindern selbst im letzten Sommer gepflückt worden waren und inzwischen im Rauch gehängt hatten, Äpfel, Kanjes-Koken, die vom Bäcker aus Semmelteig gebacken waren und Männer, Frauen und Tiere darstellten, auch wohl einige braune Kuchen. Eine Beschenkung der Erwachsenen, auch der Dienstboten, ebenso ein Tannenbaum war noch unbekannt.“ Der Christabend war früher der Abend des Jahres, an dem nach Herzenslust gegessen werden konnte, deshalb wurde er in der Heide auch „Vullbuks-awend“ genannt.
Schön machte man es sich in dieser ganz besonderen Zeit des Jahres damals offensichtlich so gerne wie heute. Jedes Jahr im Dezember werden Kisten und Kartons von Dachböden und aus versteckten Winkeln geholt, um sich an glänzenden Kugeln, vergoldeten Nüssen, Lichterketten, Engeln und Sternen das Herz zu wärmen. Ganz ähnlich sehen die Weihnachtskisten im Lager des Museumsdorfes aus. Sie dienen zwar wissenschaftlichen Zwecken, nämlich der Dokumentation von Weihnachtsbräuchen der Region, aber das Stöbern darin macht nicht weniger Spaß, als zuhause.
„Die uns bekannte Weihnachtskultur entwickelte sich ganz wesentlich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit der Industrialisierung kam auch der verbreitete typische Weihnachtsschmuck auf“, weiß Marten Thomsen und öffnet eine weitere Kiste.
Darin funkelt ein buntes Gewirr an Glöckchen, Zapfen und Kugeln, und an einigen weisen alte Wachsspuren darauf hin, dass sie einstmals am leuchtenden Tannenbaum hingen. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die meisten Teile dieses Bestandes aus Pappmaché sind und irgendwann mit viel Liebe zum Detail selbst gebastelt wurden. Dass an Weihnachten nicht nur in den von Eduard Kück beschriebenen Zeiten gut gegessen wurde, zeigt eine ganze Sammlung von Naschtellern, deren Dekoration die Mode der jeweiligen Herstellungszeit widerspiegelt. Es gibt nostalgisches Feenhaar, Eislametta und Schaumgold sowie jede Art von Baumkerzen bis hin zu kleinen bunten Puppenlichten.
15 Pfennige kostete in den 1920er-Jahren „Goldflimmer zum Bestreuen des Christbaumes mit dem dazu nötigen Klebstoff“. Er stammt aus Natendorf, und die kleine Tüte zeigt ein Bildchen mit acht Kindern unter dem Weihnachtsbaum, die von vier Damen in langen Kleidern beschenkt werden. Handelt es sich um die Darstellung eines Kinderheimes? Darunter prangt als Schutzmarke ein Elefant, der wie einen Sattel die verschlungenen Buchstaben des Anbieters trägt und auf die Zeit des Kolonialwarenhandels hinweist.
Auf das Alter von einigen Exponaten weist auch die Buchstabenfolge „DRGM“ hin, eine seit 1891 übliche Kennzeichnung nach dem „Deutschen Reich-Gebrauchsmuster“, die in Zeiten der zunehmenden Industrialisierung und des gestiegenen überregionalen Warenverkehrs nationalstaatliche deutsche Interessen wahren sollte. Die Bezeichnung war noch bis 1945 üblich und ist auf kleinen Christbaumschmuck-Aufhängern ebenso zu finden wie auf einer frühen elektrischen Lichterkette, die noch einen Bakelit-Stecker und stoffumwundene Kabel hat. Angepriesen wird sie als „Permanent Christbaum-Garnitur“. Da sind die Lichter des künstlichen Bäumchens von Edeka schon moderner. Und mal ehrlich, wie er im Halbdunkel des Museumsmagazins so leuchtet, ist er irgendwie auch schön.