Pferd, Spieluhr und Napoleon zu Besuch im Museumsdorf
Napoleon war zu Besuch im Museumsdorf. Nein, nicht als Historienspektakel und leibhaftig ja sowieso nicht. Aber immerhin auf einem Teller. Den hatte Erich Weichsel aus Dalle am Wochenende nach Hösseringen mitgebracht. Besser gesagt, eine ganze Serie von Tellern mit Szenen aus dem Leben des französischen Feldherren, der die Geschicke Europas so stark beeinflusste, dass er bis heute unvergessen blieb. „Kinder, ich zähle auf euch“, liest Erich Weichsel vor. „Ja, Sire, wie mit der alten Garde“, wird ihm versichert. Das Datum zeigt an, das es 1815 ist, kurz vor Waterloo.
![]() |
Da war von Waterloo noch keine Rede: „Ich habe Ihre Monarchie gestürzt, wie ich hier das Porzellan stürze“, sagt Napoleon auf diesem Teller. |
Die große Schlacht überstand Napoelon nicht unbeschadet, die Teller dagegen schon, kein Wunder, sie entstanden ja auch in ruhigeren Zeiten. Woher die Tellersammlung stammt, weiß Erich Wechsel nicht mehr, immerhin ist sie seit vier Generationen in Famlienbesitz und wurde „immer gut weggestellt“. Nun möchte er wissen, was seine Sammlung wert sein könnte, und kommt deshalb zum Schätztag ins Museumsdorf. Der sorgte wieder für jede Menge Andrang rund um den Tisch des Kunstsachverständigen Klaus-Dieter Müller aus Deutsch Evern. Bereits am Morgen sind die Sitzreihen im Seminarraum des Museums gut gefüllt. An den Wänden lehnen sorgsam verpackte Gemälde, hier und dort tickt eine Uhr und aus Taschen und Körben lugt ein buntes Sammelsurium aus Vasen, Geschirr, Schmuck und Bildern und allem, was man sich nur vorstellen kann.
Bernd Roggemann aus Hösseringen hat Meißner Pozellan aus seinem Familienbesitz im Korb. „Bloß nicht fallen lassen“, lacht er und packt eine fein bemalte Schreibgarnitur aus. Sie gehörte den Großeltern, die aus Schlesien stammen und dort eine Papierfabrik hatten. Schwerer wiegt das hölzerne Pferd, das Roswitha Lange aus Wrestedt im Gepäck hat. „Das haben wir auf einer Versteigerung gekauft, erzählt sie. Es stammt aus dem Nachlass des Möbelhauses Thörmer, einst größter Arbeitgeber der Gemeinde Wrestedt.
Nun steht an seiner Stelle ein Einkaufszentrum und viele Stücke aus dem Familienvermögen wechselten den Eigentümer. So wie das hölzerne Pferd, in das sich Roswitha Lange „auf den ersten Blick verliebt“ hat. Im Museumsdorf erfährt sie, dass es aus Teakholz gefertigt ist und aus Indien stammt. Hergestellt wurde es Anfang der 20er Jahre. „Für Kinder ist es aber nicht gedacht“, sagt sie, „Es dient zur Dekoration und wird auf jeden Fall in unserem Haushalt bleiben.“
Heidi Tilly aus Melbeck blättert derweil durch ein altes Fotoalbum und plötzlich erklingt die zarte Melodie einer Spieluhr. Das mechanische Uhrwerk ist unter den Seiten mit den Fotos in einem kleines Kästchen verborgen, das hölzerne Gehäuse ist aus Holz und mit Metallzierrat aufwendig verziert. Der rote Samtbezug ist schon ganz abgegriffen. „Dieses Stück stammt aus Amerika“, ist sich Klaus-Dieter Müller sicher. „Die Amerikaner lieben Spieluhren“. Das Foto eines Mannes in amerikanischer Uniform bestätigt die Einschätzung des Sachverständigen. Die ältesten Bilder stammen aus dem Jahr 1860, in dieser Zeit ist das Kästchen wohl auch hergestellt worden – in einer Zeit, als die Auswanderungswelle nach Amerika einen Höhepunkt erreichte.
Heidi Tilly nimmt es zufrieden wieder mit nach Hause. Vorher aber geht sie mit ihrer Mutter Christa Habermann noch in die Ausstellung zum Einzelhandel. Christa Habermann hatte dafür einige Exponate gespendet, unter anderem eine alte Waage. Nun schaut sie, ob sie sie in der Ausstellung entdeckt.