Trinkfreudiger Mönch und Silberhorn
Kunstsachverständiger Klaus-Dieter Müller im Museumsdorf
Claudia B. aus Uelzen hat sich noch nicht ganz entschieden, welche Stücke sie begutachten lassen möchte. Aus ihrem Familienfundus hat sie eine reiche Auswahl dabei, von der Kutschlampe, die ihre Eltern in den 60er Jahren aus einem Holland-Urlaub mitgebracht haben, bis hin zum Römerglas und sechs zarten Limoges-Bechern
aus Frankreich. In ihrer großen Tasche sind noch mehr Dinge verborgen, über deren Geschichte und vielleicht auch Wert sie an diesem Sonntag im Museumsdorf mehr erfahren möchte. Zu Gast in Hösseringen ist an diesem Tag nämlich der Kunstsachverständige Klaus-Dieter Müller aus Deutsch Evern, der den Museumsgästen viele Fragen zu Alter oder auch Herkunft ihrer ganz persönlichen Schätze beantwortet. Der Andrang ist groß und schon am Morgen bildet sich eine Warteschlange im Seminarraum des
Museumsdorfes. Bis zum Abend soll das so bleiben. Unermüdlich nimmt
Klaus-Dieter Müller all die Dinge entgegen, die die mehr als 160
Besucher mitgebracht haben. „Ist das ein echter George Grosz?“, möchte
ein Besucher wissen. Immerhin sind seine Federzeichnungen mit Signum und
Stempel versehen. Doch der scharfe Blick, wenn nötig mit Taschen- und
Rotlichtlampe unterstützt, lässt kaum einen Zweifel: „Das ist ein
Nachdruck. Eine echte Zeichnung hätte Verlaufsspuren im Papier
hinterlassen“, ist sich
der Experte sicher.
Familie
Bethge aus Lüneburg hat zwei Bilder mitgebracht, die nach dem Ersten
Weltkrieg über verschlungene Wege aus Posen in Familienbesitz gekommen
sind. „Die lagen lange auf dem Boden. Wir möchten gerne wissen, wie wir
sie einzuschätzen haben“, sagt Günther Bethge und ist doch ein wenig
enttäuscht, als sich der trinkfreudige Mönch als Massenprodukt nach
einem Vorbild um 1900 herausstellt. Dafür ist die „Schlittenfahrt im
Schnee“ ein interessantes Stück, eine Kopie allerdings auch. „Das Motiv
stammt von Wierusz-Kowalski, einem berühmten polnischen Maler“, stellt
Klaus-Dieter Müller fest.
Manfred Völker, bis vor kurzem
Dokumentar im Museumsdorf, hat ein schwieriges Exponat aus
Museumsbeständen mitgebracht: Ein „Silberhorn“ mit Standfuß und Gravur.
„Das Teil haben wir in der Sammlung noch nicht erfasst, weil wie nicht
wissen, was es ist“, sagt er. Doch hier muss auch der Fachmann passen
und die Einschätzung auf später vertagen. „Vielleicht ein
Trinkhornhalter“, mutmaßt Klaus-Dieter Müller. Er macht auf jeden Fall
ein Foto und verspricht, mehr dazu herauszufinden.
Claudia B. aus
Uelzen ist derweil noch mit der Sichtung ihrer Familienstücke
beschäftigt. Soll sie das Teekännchen mit den japanischen Motiven oder
lieber die grazile Rokokofigur zeigen? „Die stand bei uns immer in einer
Vitrine. Sie stammt aus Frankreich, denn unter unseren Vorfahren gibt
es Hugenotten“, erzählt sie. Auch über das kleine Poesiekästchen aus der
Biedermeierzeit wüsste sie gern mehr.
Zeit zum Überlegen bleibt
ihr genug, denn der große Andrang führt zu Wartezeiten. Die machen den
Gästen aber wenig aus, denn das Begutachten der Sammelstücke stellt sich
als spannender Zeitvertreib heraus. Viele Gäste unternehmen
zwischendurch einen Spaziergang im Museumsdorf und bummeln durch die
Ausstellungen. „Da haben wir wohl einen Nerv getroffen“, freut sich
Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm über den Zuspruch. Eine Wiederholung
steht in Aussicht.