Aus der Erde in die Ausstellung – mit Umwegen
Dass sie 500 Jahre alt ist, sieht man ihr gar nicht an: eine Keramikschale, geborgen bei Bauarbeiten in der Schmiedestraße 7, hat uns Gerhard Oehlmann kürzlich geschenkt. Ausgegraben wurde die Schale allerdings nicht erst jetzt, sondern 1941, im Krieg, bei Bau eines Luftschutzkellers auf dem Grundstück der Familie Holtzendorf aus Uelzen. Damals hatten die Beteiligten sicher alles andere im Kopf, als nach Fundstücken in der Erde zu suchen. So ist es nur dem aufmerksamen Blick
eines neugierigen Vetters der Familie zu verdanken, dass eine alte Schale, die beim Aushub zutage getreten war, jedoch unbeachtet auf einem Schuttberg lag, gerettet worden ist. Er nahm das fast unbeschädigte Stück, das lediglich beim Schachten einen Kratzer abbekommen hatte, an sich und übergab es seiner Cousine Laura Holtzendorf, die es ihrer Schwester Alice Schlichtenhorst schenkte. Und diese nahm den Fund kurzerhand in Gebrauch – als Obstschale.
Niemand wusste, dass die glasierte zweihenklige Schale aus rotbrauner Keramik mit dem eingezogenen Rand und gelber Verzierung ein halbes Jahrtausend alt ist. Irgendwann schenkte Alice Schlichtenhorst das gute Stück ihrer Nichte Christa und deren Ehemann Gerhard Oehlmann. „Ich bin der einzige in der Familie, der sich für Archäologie interessiert“, erzählt Gerhard Oehlmann, der auch zu den Gründungsmitgliedern des Uelzener Museumsvereins gehört und sich mit alten Sachen auskennt. Er vermutet, dass die
Schale beim großen Stadtbrand von 1826, als das gesamte Schnellenmarktviertel abbrannte, verschüttet worden ist. Die Häuser um den Schnellenmarkt wurden anschließend recht schnell wieder aufgebaut, auch die namengebende Schmiede der Familie Holtzendorf in der Schmiedestraße. Als die Regierung zwei Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges die Anlage von Luftschutzkellern befahl, war aus der alten Schmiede längst eine Elektrowerkstatt geworden, die an der Elektrifizierung im Landkreis Uelzen maßgeblich beteiligt gewesen ist.
Gerhard Oehlmann weiß inzwischen, dass die Rettung der Schale ein großes Glück war, denn sie ist um die 500 Jahre alt. Vor einigen Wochen hat er sie dem Museumsdorf Hösseringen übergeben. „Ich hatte Exponate für die Weltkriegsausstellung zusammengestellt. Bei dieser Gelegenheit habe ich Günther Reimers vom Museumsdorf auch die Schale angeboten. Sie ist dort gut aufgehoben“, so Oehlmann, der sich freut, dass sein Familien-Erbstück in Hösseringen sogar zu besonderer Ehre kommen wird: Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm hat entschieden, die Schale in der neuen Dauerausstellung im Haus von 1596 aus Oldendorf (Luhe) zu zeigen. „Die Keramik passt gut in das Ausstellungskonzept. Gezeigt werden soll die Lebenswirklichkeit im 16. Jahrhundert und das ist genau die Zeit, als die Schale hergestellt worden ist. Außerdem stammt sie aus einem Haushalt hier in der Region“, so Dr. Brohm. In der Ausstellung ist als Dauerleihgabe der Stadtarchäologie Uelzen eine vergleichbare Schale zu sehen. Sie wurde in Teilstücken aus der Fehlbrandgrube einer Töpferei in Uelzen geborgen. Die von Gerhard Oehlmann gespendete Schale wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit in derselben Werkstatt gefertigt.